Rotkäppchen Hintergrund

Lust oder Ver-Lust?

Rotkäppchen geht eigene Wege und pflückt Blumen: Lust. Doch dann wird es von Schuldgefühlen aufgefressen, die sich als Großmutter verkleiden: Verlust. Eine Parabel auf innere Dogmen und Päpste, die das Leben verleiden. Und der Jäger? Zum Glück gibt es ein Happy End.

Unfehlbare Dogmen

Die Performance zeichnet nach, wie Lust durch Dogmen zu Verlust wird. Rotkäppchen glaubt, sie sei schuldig, weil sie ihrer Lust folgt und Blumen pflückt. Eine Zuordnung ähnlich dem Dogma der Erbsünde, das alle Menschen für schuldig erklärt, weil Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis aßen.

Dieses Dogma hat in knapp zweitausend Jahren seine Spuren in der Geschichte hinterlassen: westliche Gesellschaften haben unbewusst Schuldgefühle in den Knochen. So nimmt es nicht wunder, dass auch die Ökonomie von heute den Menschen weismacht, sie seien etwas schuldig. Das mächtigste Dogma heutzutage heißt Wirtschaftswachstum. In einer Wirtschaft, die nur funktioniert, wenn sie wächst, bleibt man immer etwas schuldig: nie ist es genug. Aus der Erbschuld wird der Leistungsdruck des Kapitalismus. Für Lebensfreude und Lust hat das verheerende Folgen. Nicht nur Rotkäppchen wird aufgefressen von Arbeit, Verpflichtungen und Stress. Zum Glück hat das Märchen ein Happy End. Rotkäppchen entkommt der Mühle, geht wieder eigene Wege und pflückt Blumen: die Lust kehrt zurück.

Die Performance ist Teil 1 der Paradiestrilogie. Die Urfassung wurde 1996 aufgeführt. Seither kamen immer wieder neue Versionen auf die Bühne.

Libretto

Hörspielversion von 2016

hier

Credits

Text und Musik © 2021 Simon Weiland, außer:

“Rotkäppchen” Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, Frankfurt, 1991
“Heidenröslein” Text: Johann Wolfgang von Goethe / Musik: Heinrich Werner
“Zwei Wölfe” Indianergeschichte, Autor unbekannt
“Das kleine Rotkäppchen” Tegethoff, Ernst (Hg), Französische Volksmärchen, Jena 1923
„Sag mir wo die Blumen sind“ Text / Musik: Pete Seeger. Übersetzung: Max Colpet

Literatur

Drewermann, Eugen: Strukturen des Bösen Bd 1. Die jahwistische Urgeschichte in exegetischer Sicht